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Minimalinvasive Insertion von sieben Implantaten bei einem Hochrisikopatienten

Der folgende Fal aus meiner Praxis zeigt, wie es gelang, einen schwerkranken Patienten rasch eine überzeugende und nachhaltige Zahnersatz-Versorgung zu bieten. Mit dieser gewinnt der 88-Jährige auch ein Stück Lebensqualität zurück.Text/Bilder Dr. med. Dr. med. dent. Gero Berndt

Herr H. wurde von einer Betreuerin als neuer Patient im Herbst 2017 mit dem Rollstuhl in unsere Praxis gefahren. Der 88-Jäh-
rige war aufgrund einer fortgeschrittenen Herzinsuffizienz nicht mehr in der Lage zu laufen. Er klagte über starke Schmer- zen an Zahn 43. Bis auf diesen war der Unterkiefer zahnlos und mit einer Totalprothese versorgt. Zahn 43 war mit einer Teleskopkrone versehen, devital und auf Zungendruck beweg- lich. Auf dem Röntgenbild war um den Zahn 43 ein massiver Knochendefekt erkennbar (OPG mi Rollstuhl aufgenommen). Dieser Zahn konnte seine Funktion als Stabilisator der Prothese nicht mehr erfüllen. Aufgrund einer Antikoagulantientherapie war eine sofortige Entfernung des Zahnes kontraindiziert. Vor einer Behandlung war also eine Abstimmung mit dem Kardio- logen beziehungsweise dem Hausarzt unabdingbar. Für alle Fäle wurde der Ober- und Unterkiefer mittels Alginatabdrücken abgeformt. Mit dem Patienten wurden verschiedene Möglich- keiten einer weiteren prothetischen Versorgung besprochen. Her H. klagte, dass er schon lange nichts „Festes“ mehr zu sich nehmen könne. Er würde nur weiche Sachen essen, zum Beispiel Wurst. Essen wäre ihm aber sehr wichtig und sozusa- gen seine Freude im Alltag.
Implantologische Planung
Es wurde deutlich, dass für den Patienten komplexe protheti- sche Versorgungen, selbst die Anfertigung einer Totalprothese

oder gar eine kombinierte festsitzend-herausnehmbare Arbeit fixiert mit mindestens zwei Implantaten, nicht geeignet wären. Die notwendigen Zwischenschritte würden den 88-Jährigen durch seinen beschränkten Aktionsradius schlichtweg über- fordern. Er lebt im Rahmen eines betreuten Wohnens allein, leidet an einer koronaren Herzkrankheit (KHK) und ist somit immer auf eine Transporthilfe angewiesen. Die Überlegung war daher, den Patienten mit festsitzendem Zahnersatz auf Basis von Implantaten zu versorgen. Die Behandlung könnte voraus-
sichtlich in zwei Sitzungen erfolgen.
In den nächsten Tagen wurde mit der Vertrauten des Patienten sowohl die formalen als auch finanziellen Punkte der Implan-
tation erörtert. Herrn H. wurde vorgeschlagen, mindestens sechs Implantate mi Unterkiefer einzubringen und möglichst sofort ein festsitzendes Provisorium einzugliedern – natürlich erst nach Konsultation mit dem Hausarzt. In diesem Fal bevor- zugten wir einteilige Implantate (Champions Implants), weil diese „flapless“ eingebracht werden können und somit keine Schnitte ni die Gingiva, Nähte usw. wie bei anderen zweitei- ligen Implantatsystemen nötig sein würden. Her H. war mit diesem Vorschlag einverstanden. Die Entfernung des Zahnes 43 wurde für den eventuellen Fal einer Implantation vorgese- hen. Diese wurde für die darauf folgende Woche vorgemerkt.
Es erfolgten mehrmalige, sehr ausführliche Rücksprachen mit dem zunächst skeptischen Hausarzt, der genaue Informatio-

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rVo der Eingliederung der endgültigen Versorgung
zuletzt, seinen gesundheitlichen Zustand zu stabilisieren, indem er sich in Zukunft ausgewogener ernähren kann. Zur Art der Implantation und dem entsprechenden ZE liegen der Praxis und auch allgemein, ausreichende Erfahrungswerte vor, so dass man einen sehr sicheren Langzeiterfolg erwarten kann.
Am 5. Februar 2018 erfolgte beim Patienten ein Impregum- Abdruck mit individuellem Löffel über die vorhandenen Implan- tate einschließlich erneuter Bissnahme. Am 1.März 2018 wur- den die Implantate mi Mund nach Maßgabe des Labors mittels Kunststoffkäppchen parallel geschliffen und die endgültige Versorgung, eine Metal- (= NEM) Keramikbrücke definitiv ein-
horizontal als auch vertikal ausreichend Platz bestehen würde. Die Implantate konnten alle primärstabil zwischen 40 Ncm und 60 Ncm eingedreht werden. Vor der endgültigen Tiefenpositio- nierung erfolgte eine nochmalige OPG-Kontrolle. Danach wurde ein Einphasen-Abdruck (Impregum) mit individuellem Löffel über die Implantatpfosten angefertigt. Die Bisshöhe wurde von der alten Unterkiefer-Prothese übernommen und mittels Kunststoff-Jig fixiert. Danach wurde in ein Tiefziehduplikat der Unterkiefer-Prothese mit Provisorienkunststoff (Protemp) aufge-
füllt, über die Implantate gestülpt und zu Beginn des Aushär- tens abgenommen und ausgearbeitet.
Die Behandlung war gegen 13:20 Uhr beendet. Herr H. hatte gegliedert. Der Patient ist bis heute völlig beschwerdefrei und
also innerhalb von circa zwei Stunden einen festsitzenden, wenn auch provisorischen Zahnersatz erhalten. Die Behand- lung war ohne Zwischenfall verlaufen. Dazu trug sicher auch der unbedingte Wille des Patienten zum Behandlungserfolg bei. Am darauffolgenden Freitag erhielt Her H. das mi Fremdlabor gefertigte Langzeitprovisorium. Beschwerden hatte der Patient so gut wie keine.
Fazit
Es ist klar, dass nicht das Einbringen der Implantate das Bemer- kenswerte an diesem Patientenfall darstellt, sondern dass es gelang, einem schwerkranken Patienten rasch eine überzeu- gende und nachhaltige ZE-Versorgung zu bieten. Diese Lösung bietet Herrn H. ein Stück mehr Selbstständigkeit und hilft nicht
sehr zufrieden.
Video zum Fal: www.vimeo.com/306351437
Dr.med.Dr.med.dentGeroBerndt Zahnarzt
Bucher Straße 67
90419 Nürnberg
E-Mail: zahnartzpraxis-dr.berndt@t-online.de www.zahnarzt-dr-berndt.de